Legasthenietraining: Unser gemeinsamer Erfolg

Der Schüler S. besucht die 2. Klasse der Volksschule. Rechnen mag er nicht. Er hat Panik vor Zahlen und Rechentests. Er gibt nur leere oder sinnlos ausgefüllte Blätter ab. Er hat keinen Zahlenbegriff. Rechnen im Zahlenraum 10 schafft er nur mit Hilfe der Finger. Da in der 2. Klasse im ZR 100 gerechnet wird ist er komplett verzweifelt und reagiert aggressiv. Von seiner Lehrerin wird er mit Arbeitsblättern als Hilfestellung zugepflastert, die er zu Hause mit seiner Mutter stundenlang am Nachmittag durcharbeitet.

So kommt die Mutter Ende Jänner hilfesuchend zu mir. Beim Anamnesegespräch erkennen wir, dass S. 12 Wochen zu früh zur Welt gekommen ist und eine Schwäche in der Raumorientierung und im Körperschema aufweist. Dies bestätigt auch der AFS-Test. Obwohl S. in allen anderen Fächern keine Schwierigkeiten hat, will er nicht mehr in die Schule gehen. Der AFS-Test zeigt Schwächen in der optischen Wahrnehmung und Verarbeitung. Sowohl in der Optischen, als auch in der Akustischen Serialität ist er schwach.

Mit dem Schüler und der Mutter vereinbarte ich 2 Trainingseinheiten pro Woche zu jeweils einer Stunde.

Da S. eine sehr starke Abneigung gegen Arbeitsblätter hat, taste ich mich mit optischen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspielen und Material im ZR 10 heran. Es gelingt mir anfangs schwer, S. für Zahlen zu motivieren, da er jedes mal blockiert. Erst das Einkaufen-Spiel mit Geld kann sein Interesse für Zahlen wecken. Über die Brücke „Geld ist gut“, weil ich damit einkaufen gehen kann – entwickelt er einen neuen Bezug zu „Zahlen sind gut“.

Weiters nehme ich ihm die Angst vor Fehlern. Lernen ist „Forschen“ und beim Forschen und Experimentieren kann auch mal was schief gehen. Es geht ja darum herauszufinden, welches das richtige Ergebnis ist und, wie ich dazu komme. S. lernt, dass es wichtig ist, so lange nach dem richtigen Weg zu forschen, bis das Ergebnis stimmt. Er entwickelt richtigen Spaß daran Wissenschaftler zu sein.

So gelingt es mir schließlich, die Zahlenmengen im ZR 10 gut zu definieren. Wir zerlegen Zahlen mit verschiedensten Materialien. So gelingt ihm auch das Rechnen über den Zehner bis in den ZR 20. Da S. akustisch gut lernen kann, fällt es ihm leicht, das Einmaleins auswendig zu memorieren. Das Rechnen im ZR 100 gelingt ihm bis 50 schon sehr gut. Zahlen über 50 machen ihn noch unsicher.

Nach einem Gespräch mit der Klassenlehrerin ist ihr S. Problematik bewusst geworden und sie reagiert mehr verständnisvoll, als unter Druck setzend, was S. Situation und auch die der Mutter wesentlich verbessert. Es werden jetzt keine zusätzlichen Arbeitsblätter mehr am Nachmittag bearbeitet. Und es gelingt S. jetzt ohne Gegenwehr seine Rechenaufgaben zu erledigen.

Es ist erstaunlich, wie schnell die Veränderung der Einstellung zu einer Lernthematik den Lernerfolg ermöglicht.

So haben sich bis heute auch die Optischen Funktionen gebessert. Die Raumorientierung und das Körperschema haben sich sogar wesentlich verbessert.

S. geht jetzt wieder gerne in die Schule und weiß, dass er zwar beim Rechnen lernen Unterstützung braucht, aber, dass nichts unmöglich ist. Und letzte Woche brachte er mir einen positiven Rechentest. Alle Rechnungen waren mit Ergebnissen ausgefüllt. Viele waren wegen Zahlensturz unrichtig, aber eine gute Genügende Beurteilung. Er hat sich von einem rebellischen, trotzigen, aggressiven Jungen zu einem wissensgierigen Forscher entwickelt. Das ist unser gemeinsamer Erfolg.

Caroline SeiringerCaroline Seiringer 
Werfen, Salzburg