Platz im Leben

Ich habe keine einzelne Erfolgsstory. Das Gesamtpaket macht den Erfolg aus.

Im Jahre 2007 begann ich mit 3 Kindern. Heute haben wir, zusammen mit meiner Tochter Sarah, 62 Kinder und Jugendliche, die ein Mal pro Woche zu uns zum Training kommen.

Nach meinem Studium der Erziehungswissenschaften und Bildungsforschung in Kombination mit Psychologie, arbeitete ich an einigen Projekten an der Universität Klagenfurt mit. Dabei musste ich unter anderem „Schulkindmütter“ interviewen. Im Rahmen dieser Interviews wurde das Thema Legasthenie sehr oft angesprochen. Mütter beklagten sich darüber, dass niemand sie ernst nimmt und dass sie mit ihren betroffenen Kindern alleine gelassen werden würden. Meine Neugierde brachte mich dazu, mich in die Thematik einzulesen und es dauerte nicht lange, bis ich den Entschluss fasste die Ausbildung in Angriff zu nehmen. Dieser Entschluss führte mich auf den Platz, auf dem ich nun zu Hause bin. Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen.

Die Überlegung selbstständig zu werden, verursachte mir ein wenig Sorgen. Kein gleichbleibendes, regelmäßiges Gehalt, kein Weihnachts- und Urlaubsgeld, keine geregelten Urlaube. Heute würde ich mit niemandem tauschen.

Die Anfänge waren ziemlich hart. Zunächst einmal ging es darum, einen Namen und ein Logo für mein Ein-Personen-Unternehmen zu finden. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich die Schnecke und die Eule für mein Logo und den dazu passenden Namen „Lese-(Recht)schreib- und Legastheniewerkstätte Schneckentempo“ als für „sehr gut“ bewertete, landeten etliche Entwürfe im Papierkorb.

Nachdem diese erste Hürde genommen war, fertigte ich eine Informationsmappe an, die ich an Schulen, an Kinderärztinnen- und ärzte, an (Schul)Psychologen – und psychologinnen und (Kinder)Therapeuten und Therapeutinnen, persönlich verteilte. Und bald gingen 16 Kinder und Jugendliche bei mir ein und aus.

Mit meiner Tochter Sarah arbeite ich nun bereits vier Jahre zusammen. Wir sind ein kongeniales Team und ergänzen uns hervorragend. Vor allem ist es für uns beide eine Bereicherung und gegenseitige Hilfestellung. Einige Lebensgeschichten der Betroffenen sind doch oftmals sehr berührend und traurig und von daher ist es doch einfacher, wenn man eine Vertraute hat, mit der man darüber sprechen kann.

Die Arbeit an sich ist eine tägliche Herausforderung und verlangt vor allem: Einfühlsamkeit, Geduld, Wissen, Erfahrung, Neugierde, Offenheit und Kreativität. Was nützt das gesamte vorgefertigte Wissen, wenn jeden Tag mit höchst unterschiedlichen Individuen gearbeitet wird? Wobei: Ausnahmslos alle Methoden, die ich kennengelernt, erlernt und angewendet habe (resp. anwende), sind wunderbare und sorgsam durchdachte Materialien, die ich nicht missen möchte.

Der Großteil der Kinder und Jungendlichen erlernt früher oder später mit dem Phänomen Legasthenie umzugehen, bzw. kann sein Wissen über Grammatik, Rechtschreibung, Lesefertigkeit und Textgestaltung verbessern. Leider gelingt uns das nicht bei allen. Bei manchen Kindern und Jugendlichen stoßen wir an unsere Grenzen. Das finden wir sehr schade, aber manchmal können wir eben Unmögliches nicht möglich machen.

Mein Lebensweg war sehr kurvenreich. Manche Entscheidung waren falsch, manche richtig. Letztendlich hat mir der Zufall meinen Platz im Leben zugewiesen. Ich bin angekommen.

Mag. Andrea ObergrießnigMag. Andrea Obergrießnig 
Treffen, Kärnten
www.schneckentempo.at