Lena lernte ich in der Praxisphase des Dyskalkuliefernstudiums kennen, sie wiederholte das zweite Schuljahr, da die Schwierigkeiten in Mathematik immer deutlicher wurden. Schnell wurde mir klar, dass sie seit zwei Jahren zählte. Der Rechentest und eine qualitative Analyse zeigten außerdem, dass Lena Schwierigkeiten mit dem simultanen Erfassen von Mengen und keine Zahlenraumvorstellung entwickelt hat. Die Zahlzerlegung bis 10 und somit auch einfache Additions- und Subtraktionsaufgaben ohne Zehnerüberschreitung waren nicht automatisiert. Ihre Mutter berichtete, dass Lena Schwierigkeiten hat, sich das kleine Einmaleins zu merken. Im AFS- Test zeigten sich stark differente Sinneswahrnehmungen im Bereich Optische Differenzierung, Optisches Gedächtnis, Akustisches Gedächtnis, Akustische Serialität und Raumorientierung.
Ein mathematischer Neuaufbau war notwendig und auf der Basis der Ergebnisse erstellte ich einen individuellen Förderplan. Ich ging mit viel Elan und Freude, aber auch mit dem Bewusstsein einer schwierigen Aufgabe, in das Training mit meinem ersten Dyskalkulietrainingskind!
Da Lena in den zwei Schuljahren bereits eine Abneigung gegen Mathe entwickelt hatte, war es mir besonders wichtig, dass sie Freude am Training hat, mit einem positiven Gefühl aus der Stunde geht und mit kleinen Erfolgen langsam wieder Spaß am Rechnen entwickelt. Wichtig war auch das Gespräch mit der verständnisvollen Lehrerin, die ihr im dritten Schuljahr einen Nachteilsaus-gleich gewährte.
Zunächst trainierte ich mit ihr die beiden Bereiche Optische Differenzierung/ Optisches Gedächtnis und zu Beginn jeder Stunde gab es eine Übung zur Aufmerksamkeitssteigerung.
Die schwierigste Aufgabe war jedoch: wie vollziehen wir den Schritt vom Zählen zum Rechnen, da sich dieses schon sehr verfestigt hatte?
Jegliches Anschauungsmaterial schien mir vorerst ungeeignet, da es sie wiederum zum heimlichen Zählen verführt hätte. Ich entschied mich dann für die kybernetische Methode. Zunächst waren die Lerneinheiten sehr anstrengend für Lena, denn erstmals war sie gefordert, sich Mengen (also Fingerbilder) und Zahlen innerlich vorzustellen und miteinander in Beziehung zu setzen. Aber es gelang! Und sie schaffte es im Laufe unseres Trainings im ersten Jahr das Zählen weitgehend zu überwinden! Nachdem das Zahlen- und Operations-verständnis abgesichert war und Lena eine Vorstellung vom Zahlenraum entwickelt hatte, begannen wir ein gezieltes Speichertraining der Rechenaufgaben bis 10 und des Einmaleins. Es war ein sehr schönes Erlebnis zu sehen, wie sich Lenas Sinneswahrnehmungsleistungen, mathematisches Verständnis und Können stetig verbesserte und sie immer wieder „Aha-Erlebnisse“ hatte! In einer Stunde z.B. empfing sie mich erfreut: “Frau Winckler, ich kann auf einmal den Zahlenstrahl sehen“.
Lenas liebstes Mathespiel ist das Mathe4Matic- Kartenspiel, das schon lange ein fester Bestandteil jeder Trainingsstunde ist: Besonders in der Spielvariante „Schon wieder 10“ schlägt sie mich inzwischen durch ihre Schnelligkeit! Es hat mit Sicherheit den Spaß am Rechnen gefördert und Gelerntes gefestigt!
Natürlich gab es in den drei Jahren auch immer mal wieder (ferienbedingte) leichte Rückschritte, aber aufgeben wollte Lena nie.
Seit Beginn des vierten Schuljahres schreibt Lena keine differenzierten Arbeiten mehr, kann dem aktuellen Unterrichtsstoff folgen und steht auf einer 3! Ein guter Start in die weiterführende Schule!
Herzliche Grüße an alle und an den EÖDL Danke für die hervorragende Ausbildung!
Dipl.Päd. Astrid Winckler Mainz, Rheinland-Pfalz www.lernmobil-mainz.de