Ich habe die Geschichte von Cevin ausgewählt, weil er für mich ein ganz besonderer Fall ist. Seine Mutter kontaktierte mich im März 2013 auf Empfehlung seiner Lehrerin.
Cevin war damals 9 Jahre alt, ging in die zweite Klasse Volksschule (er wiederholte die erste), hatte laut Aussage der Mutter zwei legasthene Geschwister und kam mit einem klinisch-psychologischen Befund zu mir, der ihm eine dezente ausgeprägte Lese- und Rechtschreibstörung und eine Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung diagnostizierte. Wegen Wutausbrüchen in der Schule wurde er von einer Psychologin betreut und es wurde festgehalten, dass er sehr schnell die Motivation in die Schule zu gehen verloren hatte, dass er langsam arbeite und Buchstaben verwechsle (b/d, g/d, ei/ie). Die Intelligenz liege im Durchschnittsbereich. Der mir vorliegende Befund empfahl eine Ergotherapie, ein Training aufgrund der LRS und enthielt Tipps für die Geräuschüberempfindlichkeit.
Was aber in diesem Befund nicht stand und was erst in meinem Anamnesegespräch mit der Mutter herauskam, war, dass Cevin ein kreatives und soziales Kind ist, das gerne auf Bäume klettert und dass er aufgrund seiner Eigenwahrnehmung bereits ein Problembewusstsein entwickelt hatte und deswegen auch unter einem steigenden Leidensdruck stand. Cevin hatte aber auch das Glück, eine überaus liebevolle und engagierte Mutter zu haben und seit der 2. Klasse auch eine ausgezeichnete und verständnisvolle Pädagogin als Lehrerin.
Das war die Ausgangssituation für meinen AFS-Test, der vor allem eine differenzierte Wahrnehmung in den Bereichen Körperschema, Optisches Gedächtnis und Akustische Differenzierung ergab und gemeinsam mit der festgestellten schwankenden Aufmerksamkeit und den Wahrnehmungsfehlern im Symptomtest konnte ich ein pädagogisches Gutachten für eine Primärlegasthenie ausstellen und mit dem Training beginnen.
Neben der Arbeit an der Aufmerksamkeit, lag der erste Schwerpunkt im Wahrnehmungstraining beim Körperschema, der Raumorientierung und der damit verbunden Symptome, die sich im Verwechseln von Buchstaben zeigt, die sich durch ihre Lage voneinander unterscheiden, also typische Wahrnehmungsrichtungsfehler bei Verwechslungen von b/d, g/d. Da Cevin auch große Schwierigkeiten beim Lesen hatte, begleitete uns die Silbenmethode beim Lesen von Texten mit roten und blauen Silben und nach und nach stellten sich Erfolge in allen Bereichen ein. Mit dem von mir im Zuge meiner Tätigkeit mit legasthenen Kindern entwickelten innovativen Rechtschreib-Lernspiel-Programm „Migo, der Pirat“ hatte Cevin auch Freude am Training, war motiviert, und gemeinsam konnten wir die einzelnen Rechtschreibbereiche, die Schatzinseln im Fehlermeer, bewältigen und uns auf weitere Wahrnehmungsbereiche konzentrieren.
Jetzt ist Cevin in der vierten Klasse und schreibt sehr gelungene Aufsätze. Natürlich macht er auch noch Fehler, aber er hat die wichtigsten Rechtschreibregeln verinnerlicht und kann sie gut abrufen. Seine Schrift ist gut lesbar, die Wahrnehmung hat sich in allen Bereichen verbessert und vor allem ist er immer noch motiviert. Für mich ist Cevin ein besonderer Fall, weil er zu Beginn einer meiner schwersten „Fälle“ war, frustriert, mit angeknackstem Selbstwertgefühl und selbst hoffnungslos. Und jetzt freut er sich schon auf den Übertritt in die neue Mittelschule (NMS).
Und wer Cevin sehen möchte, findet ihn auf einer Insel im Fehlermeer auf Migos Homepage http://www.MigoderPirat.at unter dem Menüpunkt „Bilder Lernspiele“.
Einen Zeitungsartikel darüber finden Sie hier.
Mag. Karin Strauss-Stolz Ebergassing, Niederösterreich www.HilfebeiLegasthenie.at